Glossar Digitale Souveränität
Über das Projekt
Inhaltsverzeichnis
Über das Glossar
Unter 'Digitaler Souveränität' verstehen wir die Fähigkeit, persönliche oder kollektive Freiheit und Selbstbestimmung in der digitalisierten Gesellschaft zu verteidigen, zu nutzen und zu gestalten. Um sie zu ermöglichen, bedarf es sowohl individueller Kompetenzen als auch technischer, politischer und sozialer Rahmenbedingungen. Wer sich selbstbestimmt im digitalen Raum bewegen und kommunizieren möchte, benötigt besondere Fähig- und Fertigkeiten. Diese beispielsweise mit Begriffen wie 'Medien- oder Digitalkompetenzen', 'Data Literacies' oder 'Algorithmisches Denken' bezeichneten Fähig- und Fertigkeitsbündel verweisen ihrerseits ursprünglich auf ein aufklärerisches Ideal, das ein mündiges, reflexives und verantwortliches Leben fordert. Sofern solche Kompetenzen fehlen oder schlecht ausgeprägt sind, fehlen auch grundlegende Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der persönlichen Entfaltung. Ebenso hängt die digitale Souveränität des Einzelnen von digitalen und anderen technischen und technologischen, aber auch von legislativen, juridischen und ökonomischen Bedingungen ab.
Den darauf erwachsenden Bildungsherausforderungen lässt sich nur in einer Zusammenarbeit zwischen mehreren Disziplinen begegnen. Das Online-Glossar "Digitale Souveränität" sammelt und erläutert relevante Begriffskonzepte (dt./engl.) in diesem Kontext aus drei Perspektiven: der Medienbildung, des Medienrechts und der Medienkulturwissenschaft. Jeder Glossar-Eintrag ist entlang von Leitfragen strukturiert:
- Was bezeichnet dieser Begriff?
- Woher kommt der Begriff?
- Wonach muss ich fragen?
- Wie wird der Begriff erfasst/festgestellt?
- Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?
Ein Langeintrag beantwortet diese Fragen und schließt mit Angaben zu weiterführender Literatur und einem Quellenverzeichnis. Kurzeinträge im Glossar bestehen aus den ersten beiden Frageabschnitten sowie den Quellenangaben. Die redaktionelle Arbeit am Glossar ist ein "work in progress", da immer wieder neue Begriffskonzepte in den Diskurs über die Bildungsherausforderungen in der digitalen Transformation eingeführt und erörtert werden.
Über das Projekt
Das Online-Glossar entstand im Rahmen des Projekts Bildung für eine Digitale Souveränität (Projektlaufzeit Januar bis Dezember 2020), gefördert vom Grimme-Forschungskolleg an der Universität zu Köln. Durchgeführt wurde es als Kooperation zwischen dem Grimme-Institut, dem Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln und dem Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln unter Beteiligung zahlreicher Studierender.
Team
- Annabell Blank (Universität zu Köln)
- Clara Hense (Universität zu Köln)
- Dr. Harald Gapski (Grimme-Institut)
- Georg Jorczyk (Grimme-Institut)
- Prof. Dr. Stephan Packard (Universität zu Köln)
- Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer (Universität zu Köln)
- Florian Priemel (Universität zu Köln)
- Jan Richert (Grimme-Institut)
- Vesna Schierbaum (Universität zu Köln)
- Thomas Tekster (Grimme-Institut)
Hintergrund
Wir leben in einer „Gesellschaft der Daten“[1], in der „soziotechnische Prozesse der Datafizierung des Sozialen im Zentrum gegenwärtiger gesellschaftlicher Transformationen stehen“[2] So hinterlässt jede Aktivität in unserer digital vernetzten Umgebung Datenspuren, teils sind es bewusst eingegebene Inhalte, teils unbewusst und technisch automatisch erzeugte Meta- und Beobachtungsdaten. Jede aktive Kommunikation und Teilhabe ist andererseits von technischen Bedingungen abhängig und durch sie geformt. Diese Transformationen und die „tiefgreifende Mediatisierung“[3] unserer Gesellschaft erzeugen neue Welt-, Selbst- und Sozialverhältnisse, die eine zeitgemäße Bildung in den Blick nehmen muss, wenn sie nach wie vor aufklärerische Zielwerte wie Mündigkeit, Selbstbestimmung und Reflexion verfolgt. Eben diese Werte sind zudem wesentliche Grundlage für eine Regulierung, die nach dem Verständnis der politischen Akteure digitale Selbstbestimmung stärken und durchsetzbar gestalten möchte. Im rechtlichen Diskurs gilt die Durchsetzung digitaler Selbstbestimmung als Schlüsselinstrument, um Rechtsgüterschutz mit ökonomisch getriebenen Freiheitserweiterungen auch für Selbstentfaltungsinteressen zu harmonisieren.[4]
Im deutschsprachigen, medienpädagogischen Bildungsdiskurs wird die Auseinandersetzung mit „Algorithmen“ und „Big Data“ eingefordert[5], um „die Diskussion über einen sozialen und demokratisch verantwortungsvollen Umgang mit der fortschreitenden ‘Datafizierung’ der Gesellschaft zu befördern“[6]. Chancen und Risiken von Big Data Analysen, künstlicher Intelligenz und sozialer Verhaltenssteuerung ('Super-Scoring' und 'Big Nudging') machen eine "digitale Aufklärung" zur Förderung der „Mündigkeit der Bürger in der digitalen Welt“ notwendig.[7] In den neuen Bildungsdimensionen liegen Spannungsfelder, etwa zwischen digitaler Selbstbestimmung und Kontrollverlust, zwischen Transparenzansprüchen und Black-Box-Systemen oder zwischen Datensolidarität und Überwachung, die für Bürger_innen neuartige Entscheidungs- und Handlungskontexte darstellen.[8] Verstärkte Bildungsanstrengungen mit Blick auf Big Data wurden etwa auf Bürgerkonferenzen von Bürger_innen selbst eingefordert.[9]. In ihren Gutachten und Stellungnahmen betonte jüngst die Datenethikkommission (DEK) die Bedeutung von reflexiven Kompetenzen sowie von Erziehung und Bildung allgemein.[10] Der Deutsche Ethikrat definierte „Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung“ im Gesundheitsbereich[11] und der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen legte ein Konzept der „Digitalen Souveränität“ aus verbraucherpolitischer Perspektive vor.[12]
Mit dem Begriff der digitalen Souveränität soll im Rahmen dieses Projekts das Zielfeld dieser verschiedenen Bildungszugänge umrissen werden. Damit sollen erstens die potenzielle Überfrachtung des Individuums mit dem Anspruch einer umfassenden digitalen Selbstbestimmung in Zeiten des Kontrollverlusts berücksichtigt und zweitens die überindividuellen, regulativen Kontexte und Akteure in die Betrachtung einbezogen werden. Drittens ist dieser Begriff breiter angelegt als etwa der Kompetenzbegriff und offener für die Aufnahme neuer bildungstheoretischer Zugänge. So grenzt er sich etwa im Zuge aktueller netzwerktheoretischer, postdigitaler und dem kritischen Posthumanismus folgender Entwürfe gegen den traditionellen Begriff der 'Mündigkeit' ab, der ein aufklärerisches Modell von individueller Subjektivierung voraussetzt.[13]
Weiterführende Literatur
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Quellenverzeichnis
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