Code Literacy (Medienbildung)

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Code Literacy bezeichnet die Fähigkeit, maschinenlesbaren Programmiercode in verschiedenen Kontexten zu verstehen, zu lesen, zu interpretieren, zu kommunizieren und zu verwenden. In einem umfassenderen Sinne zählt dazu auch das Verständnis der Auswirkungen von Code auf Gesellschaft, Kultur und Kommunikation.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
21st Century Skills (Medienbildung), Algorithmic Literacy (Medienbildung), Computer and Information Literacy (Medienbildung), Computational Thinking (Medienbildung), ICT Literacy (Medienbildung)


Was bezeichnet dieser Begriff?

Coding, auch als Programmieren bezeichnet, umfasst das Erstellen von schrittweisen Anweisungen, die ein Computer umsetzen kann, damit Programme funktionieren. Code Literacy erweitert das Sprachvermögen (Literacy) in den Bereich der Programmiersprachen und steht in Beziehung zu Algorithmic Literacy und zu Computational Thinking. Da im Prozess des Codierens multimediale Einheiten bearbeitet werden können, unterstützt Code Literacy auch Konzepte der Multiliteracies. Der Begriff Code Literacy bezeichnet darüber hinaus die Fähigkeit, computerbasierten Code nicht nur technisch zu beherrschen, sondern ihn auch in seinen Bedeutungs- und sozialen Nutzungskontexten kritisch zu verstehen. Als Fähigkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe und Mitgestaltung der digitalen Transformationen wird Code Literacy zu den 21st Century Skills gezählt.

Annette Vee (2013, 2017) etwa beschreibt Code Literacy als eine Form von Literalität, die Programmieren in die Tradition von Schreiben und kultureller Produktion einordnet; Code wird hier als „Schreibpraxis“ verstanden, die Handlungsmacht (Agency) ermöglicht. Burke et al. (2016) erweitern diesen Begriff, indem sie Code Literacy nicht nur als technische Kompetenz, sondern als soziale Praxis definieren, die auch Reflexion, Kollaboration und Einbettung in gesellschaftliche Zusammenhänge umfasst. In diesem Sinn ist Code Literacy anschlussfähig an die semiotische (zeichentheoretische) Dreiteilung (C.W. Morris): Auf der syntaktischen Ebene geht es um die Regeln der Code-Struktur (Syntax, Grammatik der Programmiersprachen), auf der semantischen Ebene um die Bedeutung und Funktionsweise von Code (Was bewirkt er?), und auf der pragmatischen Ebene um die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Kontexte seiner Anwendung (Warum, für wen und mit welchen Folgen wird er eingesetzt?). Diese Perspektive hebt hervor, dass Code Literacy mehr bezeichnet als bloßes „Coden“-Können – sie ist eine kritische Kulturtechnik. Das Ausmaß und die Tiefe von zu erwerbenden, praktischen Programmierkenntnissen im Verhältnis zur gesellschaftlichen-kulturellen Reflexion über die Auswirkungen von Code ist umstritten.

In einer Analyse von 399 Definitionen von Code Literacy aus den Digital Humanities stellten Bleeker et al. (2022, p. 22) vielschichtige und facettenreiche Perspektiven auf den Begriff fest: Sie reichen von den Grundfertigkeiten des Lesens, Interpretierens, Schreibens und Verwendens von Code über das Veröffentlichen und Überprüfen von Code bis hin zu den verschiedenen Kontexten, in denen Code erstellt und verwendet wird. Dies schließt den Forschungskontext, das Ökosystem aus Hardware, Software, Communities und Konventionen sowie den gesellschaftlichen Kontext in Bezug auf Ethik, Datenschutz und Voreingenommenheiten (Bias) ein.

Woher kommt der Begriff?

Das Konzept der Code Literacy lässt sich bis zu Alan Perlis' Essay „The Computer in the University“[1] aus dem Jahr 1962 zurückverfolgen, in dem er sich für das Programmieren als entscheidendes Element der modernen Bildung aussprach. Während in der Frühphase der Computerisierung die Programmierkenntnisse oft in Verbindung mit spezialisiertem Technikwissen für Erwachsene an Hochschulen im Vordergrund standen, erweiterten sich mit der Verbreitung des Personal Computers und seinen grafischen Benutzerschnittstellen die Ausrichtung und die Zielgruppen für Code Literacy. Ab den 1980er Jahren wurden auch Kinder in den Umgang mit Code in zunächst experimentellen Lernumgebungen einbezogen, wie etwa mit Seymour Paperts LOGO und Mindstorms (1980). Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der steigenden gesellschaftlichen Bedeutung von algorithmischen Prozessen wächst die Aufmerksamkeit für Code Literacy Konzepte. Zugleich haben sich die Vermittlungsformen von Code Literacy durch Kommerzialisierung und internetbasierte Lehrmethoden grundlegend verändert. Douglas Rushkoff (2010) betont in seinem Buch "Program or Be Programmed", dass digitale Gesellschaften nur dann mündig gestaltet werden können, wenn Menschen nicht bloß Konsumenten, sondern auch Produzenten von Code sind.

Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?

Seit den 2010er Jahren wirken größere, internationale "learn to code" Initiativen, die durch Tech-Konzerne und gemeinnützige Organisationen unterstützt werden. Die Lernmaterialien und Kurse beziehen sich überwiegend auf ein Verständnis von Code Literacy im Sinne eines Computer Science Curriculums:

Ein verwandtes Projekt:

Weiterführende Literatur

Bleeker, E., & et al. (2022). A Game of Persistence, Self-doubt, and Curiosity: Surveying Code Literacy in Digital Humanities. Volume 4 | The Humanities in a Digital World – DH Benelux Journal. Abgerufen 16. September 2025, von https://journal.dhbenelux.org/journal/issues/004/article-1-Bleeker.pdf

Burke, Q., O'Byrne, W. I., & Kafai, Y. B. (2016). Computational participation: Understanding coding as an extension of literacy instruction. Journal of adolescent & adult literacy, 59(4), 371-375.

Motteram, G., Kwihangana, F. (2025). Code Literacy. In: McCallum, L., Tafazoli, D. (eds) The Palgrave Encyclopedia of Computer-Assisted Language Learning. Palgrave Macmillan, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-031-51447-0_257-1

Rushkoff, D. (2024). Program or be programmed: Eleven commands for a digital age. OR Books.

TACCLE 3 (2016). An overview of the most relevant literature on coding and computational thinking with emphasis on the relevant issues for teachers. https://scispace.com/pdf/an-overview-of-the-most-relevant-literature-on-coding-and-55laosankx.pdf

Papert, S. (1980). Mindstorms: Children, computers and powerful ideas. Harvester.

Vee, A. (2017). Coding literacy: How computer programming is changing writing. Cambridge, MA: MIT Press.

Vee, A (2013). Understanding Computer Programming as a Literacy. In: Literacy in Composition Studies, p. 42–64.

Quellenverzeichnis


Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2021. „Code Literacy (Medienbildung).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.