Daten (Medienwissenschaft)

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Als Daten werden Informationen bezeichnet, die einer weiteren Bearbeitung zugänglich oder für diese bestimmt sind. Sehr oft legt der Begriff nahe, dass Daten numerische, objektiv nachprüfbare Abbildungen einer empirischen Realität seien.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
Big Data (Medienwissenschaft), Personenbezogene Daten (Rechtswissenschaft)

Was bezeichnet dieser Begriff?

Als Daten werden Informationen bezeichnet, die einer weiteren Bearbeitung zugänglich oder für diese bestimmt sind. Sehr oft legt der Begriff nahe, dass Daten quantifiziert und empirisch objektiv erhoben worden sind. Daten vermitteln nach dieser Vorstellung zwischen einem Sachverhalt, den sie abbilden oder beschreiben, und einem Prozess, der daraus neue Erkenntnisse oder handlungsleitende Entscheidungen ableiten soll. Sie werden in diesem Sinne von Information ebenso wie von Wissen unterschieden, zu deren Gewinn oder Konstruktion sie erst dienen.[1]

So werden Daten unter anderem diskutiert als Vorstufe für Information, als Inhalte von Rechenverfahren, insbesondere computertechnisch automatisierter Verfahren, als digital codierte Informationen sowie als elementare und numerische Information über die Realität, wie es Sebastian Gießmann und Marcus Burkhardt zusammenfassen.[2]

Alle diese Zuschreibungen können jedoch kritisch hinterfragt werden. So haben in deutscher Sprache die Agentur Bilweit und Frank Hartmann in den 1990ern erstmals die Forderung nach einer 'Datenkritik' erhoben, die jeweils nach den Machtbeziehungen fragt, in denen eine solche objektivierte Darstellung der Realität für möglich, nötig oder wünschenswert gehalten wird, sowie nach den diskursiven und epistemologischen Entscheidungen, die damit einhergehen.[3]

Repräsentationskritisch lässt sich fragen, inwiefern die Fakten in den Daten noch aufscheinen, das heißt inwiefern die Daten so objektiv und damit transparent gegenüber der Realität sein können, wie ihre Verwendung es nahelegt.[4] Für den Schutz personenbezogener Daten legt die Objektifizierung der Datenerhebung eine Asymmetrie zwischen Beobachtung und Beobachtetem nahe, die ein entsprechendes Machtverhältnis impliziert.[5] Daten werden damit zur Requisite eines Wissens, das als Herrschaftswissen im Sinne eines modernen, den Volkskörper erforschenden Staats[6] zugleich die Entstehung der Daten auf Seiten der Herrschenden lokalisiert. Die historische Nähe der Datenverarbeitung zur 'Statistik' als Wissenschaft, die dem Staat eigen ist und die zugleich spekulativ über größere Populationen hinweg Wissen produziert, ist dafür paradigmatisch.[7]


Woher kommt der Begriff?

Nach dem lateinischen Wort data für 'Gegebenes' sind mit 'Daten' Vorgaben oder Angaben gemeint, die zu Beginn eines Vorgangs bereits vorliegen. So ist in der rhetorischen Logik des 17. Jahrhunderts mit data die Angaben gemeint, von denen eine Problemlösung oder ein Argument ausgehen kann und muss: Die Aufgabenstellung für eine geometrische Rechenaufgabe, die aus der Geschichte bekannten Tatsachen über stattgefundene Ereignisse, aber auch die aus der Offenbarung bzw. der Bibel entnommenen unbezweifelbaren Wahrheiten im theologischen Kontext, hinter die ein Argument nicht zurückgehen dürfe.[8]

Die systematische Erhebung und Auswertung von Daten ist seit Beginn der Neuzeit ein bedeutender Faktor zivilisatorischer Entwicklung.[9] Dabei bezeichnete der Begriff data im 17. und 18. Jahrhundert "gleichermaßen experimentelle Messdaten wie auch historische, geradezu gottgegebene Fakten, die in etwa dieselbe Belastbarkeit aufweisen wie Setzungen in mathematischen Operationen."[10] Die Anschauung, wonach Menschen die sie umgebende Komplexität der Welt rein rational zu entschlüsseln imstande seien, wird oft mit der Epoche des Positivismus und damit einhergehend mit der Idee der Denkökonomie in Verbindung gebracht.[11]

Die Verbindung des Datenbegriffs mit der modernen Naturwissenschaft ist mit der Entwicklung strenger Messverfahren verbunden und wird daher oft Francis Bacon zugeschrieben, dessen Novum Organum 1620 Grundlagen der quantifizierenden, wiederholbaren Messung definiert hat. Tatsächlich wurde der moderne Datenbegriff diesem Werk erst durch die englische Übersetzung aus Bacons Lateinischem 1733 interpoliert, wie Rosenberg zeigen konnte.[12]

In der Tradition dieser Auffassungen von Daten steht die terminologische Weiterentwicklung Big Data, welche in der Mitte der 1990er Jahre ihren Weg in den Diskurs findet.


Weiterführende Literatur


Quellenverzeichnis

  1. Zins, Chaim. 2007. "Conceptual Approaches for Defining Data, Information, and Knowledge." Journal of the American Society for Information Science and Technology 58 (4): 479-493.
  2. Gießmann, Sebastian und Marcus Burkhardt. 2014. "Was ist Datenkritik? Zur Einführung". Mediale Kontrolle 3.1. Aufgerufen am 17.08.2021, http://www.medialekontrolle.de/wp-content/uploads/2014/09/Giessmann-Sebastian-Burkhardt-Marcus-2014-03-01.pdf.
  3. Agentur Bilwet. 1993. „Was ist Datenkritik?“ Bensheim: Medien-Archiv, S. 76-80; Hartmann, Frank. 1996. Cyber.Philosophy. Medientheoretische Auslotungen, Wien: Passagen Verlag.
  4. Gitelman, Lisa und Virginia Jackson. 2013. „Introduction." In ‚Raw Data’ is an Oxymoron, herausgegeben von Lisa Gitelman, 1-14. Cambridge: MIT Press, S. 2.
  5. Werner Rammert. 2007. „Die Macht der Datenmacher in der fragmentierten Wissensgesellschaft.“ In Systemische Räume. Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, herausgegeben von Gabriele Werner. Berlin: De Gruyter, S. 18-27.
  6. Engemann, Christoph und Boris Traue. 2006. Governmediality of the Life Course. Aufgerufen am 17.08.2021, https://www.governmediality.net.
  7. Porter, Theodore. 1986. The Rise of Statistical Thinking, 1820-1900. Princeton: Princeton University Press.
  8. Rosenberg, Daniel. 2013. "Data before the fact." In ‚Raw Data’ is an Oxymoron, herausgegeben von Lisa Gitelman, 15-40. Cambridge: MIT Press.
  9. Deutscher Ethikrat. 2017. Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung. Stellungnahme. Berlin: Deutscher Ethikrat. Aufgerufen am 10.08.2021, https://www.ethikrat.org/pressekonferenzen/veroeffentlichung-der-stellungnahme-big-data-und-gesundheit-datensouveraenitaet-als-informationelle-freiheitsgestaltung/?cookieLevel=not-set&cHash=08372d5d65ae9acf23ce0fac3599c571, S. 11.
  10. Dander, Valentin. 2014. „Von der ‚Macht der Daten‘ zur ‚Gemachtheit von Daten‘. Praktische Datenkritik als Gegenstand der Medienpädagogik." Mediale Kontrolle unter Beobachtung 3(1). Aufgerufen am 05.06.2020, http://www.medialekontrolle.de/wp-content/uploads/2014/09/Dander-Valentin-2014-03-01.pdf, S. 2.
  11. Püschel, Florian. 2013. "Big Data und die Rückkehr des Positivismus. Zum gesellschaftlichen Umgang mit Daten." Mediale Kontrolle unter Beobachtung 3 (1). Aufgerufen am 21.05.2020, http://www.medialekontrolle.de/wp-content/uploads/2014/09/Pueschel-Florian-2014-03-01.pdf, S. 6f.
  12. Rosenberg, Daniel. 2013. "Data before the fact." In ‚Raw Data’ is an Oxymoron, herausgegeben von Lisa Gitelman, 15-40. Cambridge: MIT Press, S. 21.


Die erste Version dieses Beitrags wurde von Stephan Packard verfasst und beruht teilweise auf studentischen Arbeiten zum Begriff Big Data (Medienwissenschaft) im Rahmen des Projekts "Digitale Souveränität" am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht und am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln.

Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2021. „Daten (Medienwissenschaft)“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.