Informatische Grundbildung (Medienbildung)

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Informatische Grundbildung umfasst das Erlernen von Grundlagen, Methoden, Anwendungen und Arbeitsweisen der Informatik sowie das Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung von Informatiksystemen. Sie ist ein Baustein zeitgemäßer, schulischer Bildung.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
Computational Thinking (Medienbildung), Digital Competence (Medienbildung), Digitale Kompetenz (Medienbildung), Digitale Mündigkeit (Medienbildung), Digitale Selbstbestimmung

Was bezeichnet dieser Begriff?

Informatische Grundbildung ist ein Baustein zeitgemäßer Bildung, der Schüler_innen zu einem mündigen und selbstbestimmten Leben in einer digitalen Welt befähigt. Sie umfasst das Erlernen von Grundlagen, Methoden, Arbeitsweisen und Anwendungen der Informatik sowie das Verständnis für die Bedeutung von Informatiksystemen für die Gesellschaft. Die Kultusministerkonferenz erläutert hierzu: "Informatische Bildung zielt auf ein tiefergehendes Verständnis der Prinzipien der Informationsverarbeitung ab und soll Lernende befähigen, als kompetente Anwenderinnen und Anwender aber auch als Gestalterinnen und Gestalter an der digitalen Welt teilzuhaben. Sie ergänzt die Medienbildung um die spezifischen Inhalte und Methoden der Informatik als Bezugswissenschaft."[1]

Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation fordern bildungspolitische Stellungnahmen und Initiativen, bereits in der Grundschule bei allen Kindern ein erstes Verständnis und Interesse für Informatik zu entwickeln. Um Prozesse der Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung nicht nur zu nutzen, sondern auch zu verstehen und mitzugestalten, ist informatische Bildung notwendig.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) beschrieb in ihren Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemein bildenden Schulen im Jahr 2000 die informatische Bildung als "das Ergebnis von Lernprozessen, in denen Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Arbeitsweisen und die gesellschaftliche Bedeutung von Informatiksystemen erschlossen werden".[2] Sie charakterisierte informatische Bildung anhand von vier Leitlinien:

  • "Interaktion mit Informatiksystemen
  • Wirkprinzipien von Informatiksystemen
  • Informatische Modellierung
  • Wechselwirkungen zwischen Informatiksystemen, Individuum und Gesellschaft."[3]

Mit diesen Leitlinien sind Kenntnisse und Fähigkeiten, die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten und die interaktive Gestaltung von Informatiksystemen verbunden. Außerhalb informatischer Kontexte und in Übertragung auf andere Bereiche stellt das Modellieren von Problemlösungen im Sinne des Computational Thinking ein Ziel informatischer Bildung dar.

Informatische Bildung und Medienbildung stehen spätestens mit der Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz-Strategie Bildung in der digitalen Welt[4] und der Dagstuhl-Erklärung[5] 2016 in einem komplementären und interdisziplinär verzahnten Verhältnis zueinander, das Gegenstand von Positionsbestimmungen und neuen Konzeptentwicklungen ist.[6]

Woher kommt der Begriff?

Mit dem Aufkommen des Computers in den 1970er Jahre rückte die Frage in den Vordergrund, wie Schülerinnen und Schüler auf die „Informationsgesellschaft“ vorbereitet werden können.[7]. In den 1980ern entstanden erste schulische Informatik-Curricula. Parallel dazu entwickelte sich in der Didaktik der Informatik die Idee, Informatik nicht nur als technisches Fach, sondern als Bildungsinhalt zu verstehen. Es geht um das Verständnis informatischer Prinzipien, Strukturen und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Durch das Konzept der "fundamentalen Ideen der Informatik" (Schwill 1993) wurde die informatische Bildung stärker theoretisch fundiert. Seit den 2000er Jahren bis heute wird informatische Bildung mit Begriffskonzepten der „digitalen Bildung“ und der „Medienbildung“ verknüpft, aber nicht gleichgesetzt. Informatische Bildung bezieht sich auf das strukturelle Verstehen und die kritische Reflexion algorithmischer Systeme, jenseits ihrer reinen Bedienung:

So aktualisierte im Jahr 2000 die Gesellschaft für Informatik (GI) ihre Empfehlungen aus den vorangegangenen Jahren "durch eine erweiterte Sicht" und ergänzte die Empfehlung "Informatische Bildung und Medienerziehung" aus dem Jahr 1999 zu einem "Gesamtkonzept zur informatischen Bildung".[8] Die informatische Bildung grenzt sich damit von einer werkzeug- und anwendungsorientierten "informationstechnischen Grundbildung" der 1980er Jahre ab, deren Inhalte schnell obsolet wurden.

Im Januar 2008 veröffentlichte die GI die Empfehlung 'Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule – Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I'.[9]. Mit den 'Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe II' wurde Anfang 2016 eine entsprechende Empfehlung für die höhere Schulbildung beschlossen.[10]

Der Informatik-Monitor beobachtet bundesweit den Informatikunterricht an Schulen und stellt 2024/25 fest, dass zwar drei Viertel der Schülerschaft in Deutschland Informatikunterricht haben, dies aber nur 6 Prozent im empfohlenen Umfang.[11]

Weiterführende Literatur

  • Informatik-Monitor. 2023. "Zur Situation des Informatikunterrichts in Deutschland." Stifterverband, Gesellschaft für Informatik e.V. und Heinz Nixdorf Stiftung. URL: https://informatik-monitor.de/2023-24. Zugriff am 12.01.2025.
  • Martschinke, Sabine, Susanne Palmer Parreira und Ralf Romeike. 2021. "Informatische (Grund-)Bildung schon in der Primarstufe? Erste Ergebnisse aus einer Evaluationsstudie." In Technische Bildung im Sachunterricht der Grundschule. Elementar bildungsbedeutsam und dennoch vernachlässigt? (Forschungen zur Didaktik des Sachunterrichts 12), herausgegeben von Brunhild Landwehr, Ingelore Mammes und Lydia Murmann. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, 133–150. Abrufbar unter: https://www.pedocs.de/volltexte/2021/21536/pdf/Martschinke_et_al_2021_Informatische_Grund_Bildung.pdf. Zugriff am 12.01.2025.
  • Schwill, A. (1993). Fundamentale Ideen der Informatik. Zentralblatt für Didaktik der Mathematik, 25(1), 20-31.

Quellenverzeichnis

  1. S. Eckpunktepapier zur Verankerung von Medienbildung und informatischer Bildung in der Grundschule, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 28.11.2024, https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2024/2024_11_28-Medien-inform-Bildung-Grundschule.pdf Fußnote 4.
  2. Fachausschuss 7.3 "Informatische Bildung in Schulen" der Gesellschaft für Informatik e.V. 2000. Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemein bildenden Schulen. Gesellschaft für Informatik e.V., 1. URL: https://gi.de/fileadmin/GI/Hauptseite/Service/Publikationen/Empfehlungen/gesamtkonzept_26_9_2000.pdf. Zugriff am 12.01.2025.
  3. Fachausschuss 7.3 "Informatische Bildung in Schulen" der Gesellschaft für Informatik e.V. 2000. Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemein bildenden Schulen. Gesellschaft für Informatik e.V., 1. URL: https://gi.de/fileadmin/GI/Hauptseite/Service/Publikationen/Empfehlungen/gesamtkonzept_26_9_2000.pdf. Zugriff am 12.01.2025.
  4. Vgl. Kultusministerkonferenz. 2017. Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. kmk.org. URL: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf. Zugriff am 12.01.2025.
  5. Vgl. Gesellschaft für Informatik e.V. 2016. Dagstuhl-Erklärung. Bildung in der digitalen vernetzten Welt. Eine gemeinsame Erklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars auf Schloss Dagstuhl – Leibniz-Zentrum für Informatik GmbH. Gesellschaft für Informatik e.V., Projekt Dagstuhl. URL: https://dagstuhl.gi.de/dagstuhl-erklaerung. Zugriff am 12.01.2025.
  6. Vgl. Klaus Rummler, Beat Döbeli Honegger, Heinz Moser und Horst Niesyto (Hrsg.). 2016. Medienbildung und informatische Bildung – quo vadis? MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 25. DOI: https://doi.org/10.21240/mpaed/25.X. Abrufbar unter: https://www.medienpaed.com/issue/view/31/76. Zugriff am 12.01.2025 und Bardo Herzig. 2016. "Medienbildung Und Informatische Bildung – Interdisziplinäre Spurensuche." MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 25 (Computer Science Education), 59–79. DOI: https://doi.org/10.21240/mpaed/25/2016.10.28.X. Abrufbar unter: https://www.medienpaed.com/article/view/428/427. Zugriff am 12.01.2025.
  7. Vgl. die Empfehlung über Zielsetzungen und Lerninhalte des Informatikunterrichts der GI: Zentralblatt für Didaktik der Mathematik, ZDM 76/1, 1976, vgl. https://gi.de/service/publikationen/empfehlungen
  8. Fachausschuss 7.3 "Informatische Bildung in Schulen" der Gesellschaft für Informatik e.V. 2000. Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemein bildenden Schulen. Gesellschaft für Informatik e.V., 2. URL: https://gi.de/fileadmin/GI/Hauptseite/Service/Publikationen/Empfehlungen/gesamtkonzept_26_9_2000.pdf. Zugriff am 12.01.2025.
  9. Vgl. Brinda, Torsten; Fothe, Michael; Friedrich, Steffen; Koerber, Bernhard; Puhlmann, Hermann; Röhner, Gerhard; Schulte, Carsten (2008): Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule - Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I. DOI: 10.18420/rec2008_052. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.
  10. Vgl. Röhner, Gerhard (2016): Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe II (Januar 2016). DOI: 10.18420/rec2016_057. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.
  11. Informatik-Monitor, vgl. https://informatik-monitor.de

Die erste Version dieses Beitrags wurde von Harald Gapski im Rahmen des Projekts "Digitale Souveränität" erstellt.

Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2025. „Informatische Grundbildung (Medienbildung).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.