Medienkompetenz (Medienbildung)

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Bündel von Wissen und Fertigkeiten zum kritischen, reflektierten und sozial verantwortungsbewussten Umgang mit analogen und digitalen Medien. Medienkompetent zu handeln bedeutet auch, gesellschaftliche Werte wie Selbstbestimmung und persönliche Entfaltung als Voraussetzung und Bedingung für das Handeln mit Medien anzuerkennen.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
Digitale Mündigkeit (Medienbildung), Medienkompetenz (Rechtswissenschaft), Medienkritikfähigkeit (Medienbildung), Netzwerk (Medienwissenschaft), Personenbezogene Daten (Rechtswissenschaft)

Was bezeichnet dieser Begriff?

Medienkompetenz bezeichnet ein Bündel von Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen, welches dazu dient, sich kritisch, selbstbestimmt, kreativ, teilhabend und sozial verantwortlich in einer von technischen Medien durchdrungenen Welt zu bewegen. Der Erziehungswissenschaftler Dieter Baacke versteht unter Medienkompetenz "nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen."[1] Viele Autor_innen gliedern den Begriff der Medienkompetenz zur Erläuterung meist in verschiedene Dimensionen, Bereiche oder Aspekte auf. Dieter Baacke beispielsweise benennt vier Dimensionen (mit weiteren Unterdimensionen): (1) Medienkritik, (2) Medienkunde, (3) Mediennutzung und (4) Mediengestaltung.[2] Andere Autor_innen schlagen andere Dimensionen oder Bereiche vor, die zusammen genommen die Medienkompetenz eines Individuums näher bestimmen.[3] Werte wie persönliche Entfaltung, Mündigkeit und Selbstbestimmung werden als Ziele des medienpädagogischen Handelns hervorgehoben.


Woher kommt der Begriff?

Der Begriff wurde in den 1970er Jahren in der pädagogischen Fachdiskussion geprägt. Rekonstruierbar sind theoretische Traditionslinien des Kompetenzbegriffes von der Sprachtheorie Noam Chomskys über die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas bis Dieter Baacke, in denen Medienkompetenz als "Besonderung" eines umfassenden, anthropologisch fundierten Kompetenzkonzeptes mit aufklärerisch-normativen Implikationen ausgewiesen wird: "Medienkompetenz wird dabei verstanden als integrierter Bestandteil von kommunikativer Kompetenz und von Handlungskompetenz. Sie bildet eine wesentliche Voraussetzung für eine souveräne Lebensführung, die zunehmend davon geprägt ist, mit und über Medien das eigene Leben zu gestalten."[4]

Erst seit Mitte der 1990er Jahre und mit der gesellschaftlichen Verbreitung des Internets spielt dieser Begriff in der breiten öffentlichen Diskussion eine Rolle. Medienkompetenz wird seitdem in den deutschsprachigen Diskussionen um die Herausforderungen in der 'Informationsgesellschaft' und später 'digitalen Gesellschaft' immer häufiger genannt und gefordert: in Zielbestimmungen von Medien- und Qualifizierungsinitiativen, in medien-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Grundsatzpapieren, in Stellungnahmen aus dem Kulturbereich und natürlich in pädagogischen Programmen für unterschiedliche Bildungsbereiche – vom Kindergarten bis zur Seniorenbildung. Medienkompetenz gilt als Bildungsziel, als Schlüsselqualifikation, als vierte Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen[5], als weicher medienrechtlicher Regulierungsfaktor[6] und auch als wichtiger Wirtschafts- und Standortfaktor.[7] Und dies nicht nur für bestimmte, sondern für alle gesellschaftlichen Zielgruppen. Das macht die Komplexität des Begriffs Medienkompetenz aus: Der Begriff wird je nach gesellschaftlichem Bereich wie Bildung, Wirtschaft, Recht oder Politik unterschiedlich interpretiert und eingefasst.

Der deutschsprachige Begriff der Medienkompetenz hat sich in einem anderen diskursiven Zusammenhang entwickelt als der englischsprachige Begriff der Media Literacy.

Wonach muss ich fragen?

  • In welchem Diskurs (wirtschaftlich, jugendschutzrechtlich, politisch usw.) wird welche Ausprägung von Medienkompetenz mit welchen Dimensionen eingefordert und warum?
  • Wird der Begriff auf bloße Handhabungskompetenzen von Medien verkürzt oder umgreift er beispielsweise auch kritische Dimensionen?
  • Welcher Medienbegriff wird bei der Diskussion um Medienkompetenz zugrundegelegt?
  • Welche Fähigkeiten muss ich haben, um medienkompetent zu handeln?
  • Wie reflektiere ich meine Mediennutzung? Welche Medien nutze ich im Alltag?
  • Wo finde ich Informationsmaterial zum Umgang mit Medien? Welche Organisationen sind dafür zuständig und können mir ggf. weiterhelfen?
  • Inwiefern hat die umfassende Mediennutzung meinen Alltag verändert und wie muss ich darauf reagieren bzw. mich daran anpassen?
  • Welche Medien gibt es, die mir persönlich privaten oder beruflichen Nutzen bringen können?
  • Welche Medien stehen mir zur Verfügung, um mich über Themen zu informieren, und wie kann ich diese nutzen?
  • Wie verifiziere ich Aussagen und Informationen im Internet? Weiß ich Aussagen in sozialen Netzwerken einzuordnen?
  • Wie bewege ich mich sicher im Netz? Wie schütze ich meine Daten vor Missbrauch?
  • Wie kann ich den digitalen Wandel aktiv mitgestalten?
  • Wie begleite ich mein Kind oder Schüler_innen sicher in einer Welt, in der das Analoge und Digitale immer weiter verschwimmen?
  • Wo finde ich lizenzfreie Software für meinen Unterricht? Wie und wo informiere ich mich in der Schule über Urheberrechts- und Jugendschutzfragen?


Wann ist das wichtig?

Maßnahmen zur Förderung von Medienkompetenz liegen im Spannungsfeld von kritischen und persönlichkeitsbildenden Zielvorstellungen und technisch-instrumentellen Anpassungsqualifizierungen, wobei im pädagogischen Diskurs letztere allein als Verkürzung kritisiert werden und die Bedeutung von Reflexion, Kreativität und Verantwortung stärker hervorgehoben wird.


Wie wird der Begriff erfasst/festgestellt?

Voraussetzung für die Messung von Medienkompetenz ist ein entsprechendes Kompetenzmodell mit den oben genannten Dimensionen. Bisher liegen nur wenige Beispiele zur Messung von Medienkompetenz mit Hilfe von Tests vor. In einer Studie von Treumann et al. aus dem Jahr 2009 wurde das oben genannte Kompetenzmodell von Dieter Baacke empirisch rekonstruiert und auf die Medienkompetenz von Jugendlichen angewendet.[8] Die internationale Studie zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schüler_innen (International Computer and Information Literacy Study, ICILS) erfasst zudem Teilbereiche einer umfassenden Medienkompetenz.[9] Sowka et al. entwickelten ein Messverfahren von Medienkritikfähigkeit von Jugendlichen als einer Dimension von Medienkompetenz.[10]


Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?

Weiterführende Literatur

  • Baacke, Dieter. 2007. Medienpädagogik. Tübingen: De Gruyter.
  • Gapski, Harald, Monika Oberle und Walter Staufer. 2017. Medienkompetenz. Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung. bpb Schriftenreihe Bd. 10111. Bonn. http://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/10111_Medienkompetenz_ba.pdf.
  • Gapski, Harald. 2001. Medienkompetenz. Eine Bestandsaufnahme und Vorüberlegungen zu einem systemtheoretischen Rahmenkonzept. Wiesbaden: Springer.
  • Groeben, Norbertn und Hurrelmann, Bettina. 2002. (Hg.): Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen (Lesesozialisationund Medien), Weinheim/München: Juventa.
  • Hermida, Martin, Michael Hielscher und Dominik Petko. 2017. „Medienkompetenz Messen: Die Entwicklung Des Medienprofis-Tests in der Schweiz“. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 2017 (Occasional Papers): 38-60. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2017.06.02.X.
  • Herzig, Bardo und Alexander Martin. 2017. "Erfassung und Messbarkeit von Medienkompetenz als wichtige Voraussetzung für politische Bildung." In Medienkompetenz, herausgegeben von Harald Gapski, Monika Oberle und Walter Staufer, 126-135. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/medienpaedagogik/medienkompetenz-schriftenreihe/257604/erfassung-und-messbarkeit-von-medienkompetenz.
  • Schaumburg, Heike und Sebastian Hacke. 2010. "Medienkompetenz und ihre Messung aus Sicht der empirischen Bildungsforschung." In Jahrbuch Medienpädagogik Bd. 8, herausgegeben von Bardo Herzig et al., 147–161. Wiesbaden: Springer.
  • Schorb, Bernd und Ulrike Wagner. 2013. "Medienkompetenz – Befähigung zur souveränen Lebensführung in einer mediatisierten Gesellschaft." In Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 18-23. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=1155663.
  • Sowka, Alexandra et al. 2015. "Die Messung von Medienkompetenz. Ein Testverfahren für die Dimension »Medienkritikfähigkeit« und die Zielgruppe »Jugendliche«." Medien & Kommunikationswissenschaft 63 (1): 62-82. https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634x-2015-1-62/die-messung-von-medienkompetenz-ein-testverfahren-fuer-die-dimension-medienkritikfaehigkeit-und-die-zielgruppe-jugendliche-jahrgang-63-2015-heft-1?page=0.
  • Treumann, Klaus Peter et al. 2009. Medienhandeln Jugendlicher: Mediennutzung und Medienkompetenz. Bielefelder Kompetenzmodell. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Tulodziecki, Gerhard. 2010. "Medienkompetenz und/oder Medienbildung? Ein Diskussionsbeitrag." Medien + Erziehung 54(3): 48-53.

Quellenverzeichnis

  1. Baacke, Dieter. 1998. "Medienkompetenz. Herkunft, Reichweite und strategische Bedeutung eines Begriffs." In Lernort Multimedia. Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft, Bd. 6., herausgegeben von Herbert Kubicek et al. Heidelberg, 22-27, S. 26.
  2. Bonin, Ingrid. o.D. "Definitionen von Medienkompetenz." Medienkompetenzportal. Aufgerufen am 04.05.2021, https://www.medienkompetenzportal-nrw.de/grundlagen/begriffsbestimmung.html.
  3. Vgl. beispielsweise Aufenanger, Schorb, Spanhel und Tulodziecki: Bonin, Ingrid. o.D. "Definitionen von Medienkompetenz." Medienkompetenzportal. https://www.medienkompetenzportal-nrw.de/grundlagen/begriffsbestimmung.html.
  4. Schorb, Bernd und Ulrike Wagner. 2013. "Medienkompetenz – Befähigung zur souveränen Lebensführung in einer mediatisierten Gesellschaft." In Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 18-23. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 18. Aufgerufen am 26.04.2021, http://docplayer.org/8007329-Medienkompetenzfoerderung-fuer-kinder-und-jugendliche-eine-bestandsaufnahme.html.
  5. Laut ehemaliger Bundesforschungsministerin Johanna Wanka: o.A. 2017. "'Digitale Kompetenz ist eine Kulturtechnik'". Bundesminiserium für Bildung und Forschung (30.05.). Aufgerufen am 26.04.2021, https://www.bmbf.de/de/digitale-kompetenz-ist-eine-kulturtechnik-4265.html.
  6. Siehe zum Begriff der Medienkompetenz in den Rechtswissenschaften: Medienkompetenz (Rechtswissenschaft).
  7. Gapski, Harald, Monika Oberle und Walter Staufer. 2017. Medienkompetenz. Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung. bpb Schriftenreihe Bd. 10111. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. Aufgerufen am 26.04.2021, http://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/10111_Medienkompetenz_ba.pdf, S. 19.
  8. Treumann, Klaus Peter et al. 2009. Medienhandeln Jugendlicher: Mediennutzung und Medienkompetenz. Bielefelder Kompetenzmodell. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  9. Eickelmann, Birgit et al. 2019. ICILS 2018 #Deutschland. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. Münster/ New York: Waxmann. Aufgerufen am 15.12.2022. https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=4000Volltext.pdf&typ=zusatztext.
  10. Sowka, Alexandra et al. 2015. "Die Messung von Medienkompetenz. Ein Testverfahren für die Dimension 'Medienkritikfähigkeit' und die Zielgruppe 'Jugendliche'. Medien & Kommunikationswissenschaft, 63 (1): 62-82. Aufgerufen am 26.04.2021, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634x-2015-1-62/die-messung-von-medienkompetenz-ein-testverfahren-fuer-die-dimension-medienkritikfaehigkeit-und-die-zielgruppe-jugendliche-jahrgang-63-2015-heft-1, S. 77.

Die erste Version dieses Beitrags wurde von Harald Gapski im Rahmen des Projekts "Digitale Souveränität" am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht und am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln erstellt.

Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2021. „Medienkompetenz (Medienbildung).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.