Safe Space (Medienwissenschaft)

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Safe Spaces sind Schutzräume, in denen insbesondere marginalisierte und vulnerable Gruppen untereinander kommunizieren oder Inhalte konsumieren können, ohne Diskriminierung oder (Re-)Traumatisierung zu erfahren.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
Diskriminierung (Medienwissenschaft), Digitalisierung (Medienwissenschaft), Meinung (Rechtswissenschaft), Meinungsvielfalt (Rechtswissenschaft), Zensur (Medienwissenschaft)

Was bezeichnet dieser Begriff?

Unter einem Safe Space wird allgemein ein physischer oder virtueller Raum verstanden, der bestimmten Personengruppen Schutz vor gewissen Inhalten oder Verhaltensweisen bietet, insbesondere vor Diskriminierung. Der Schutz erstreckt sich auch auf die Möglichkeit, frei zu kommunizieren, ohne diese Sicherheiten zu verlieren. Häufig geht es dabei um den Schutz marginalisierter oder vulnerabler Gruppen vor Beleidigung, Bedrohung und Hass. Definitionen von Safe Spaces schwanken zwischen eher diffusen Bestimmungen von Sicherheit und spezifischeren Darstellungen des Schutzes vor Diskriminierung.[1].

Für die Konstitution eines Safe Spaces sind daher drei Fragen wichtig: Schutz für wen, Schutz wovor und Schutz wozu (safety for, safety from, safety to)?[2] Sie lassen sich zu einem größeren Fragenkatalog erweitern, jedoch bleibt das zentrale Anliegen, wer in einem Safe Space wovor bei welcher Tätigkeit geschützt werden soll.

Die Metapher der Safe Spaces wird als überbeansprucht sowie als theoretisch unzureichend kritisiert[3]. Die Bedeutung von Safe Spaces wird in akademischen, aber auch in populärkulturellen Zusammenhängen diskutiert. Eine öffentliche Diskussion hat insbesondere in britischen und US-amerikanischen Medien stattgefunden, während das Thema in Deutschland bisher vergleichsweise weniger Beachtung findet.

Im Deutschen gibt es bisher auch keine allgemeingültige begriffliche Übersetzung. Vielfach ist von „Schutzräumen“ die Rede, daneben tauchen „sicherer Raum“ oder „geschützter Raum“ auf. Meistens wird jedoch auch in deutschsprachigen Texten von „Safe Spaces“ gesprochen, manchmal auch von „Safer Spaces“ (oder „Safe/r Spaces“) mit der Begründung, dass sich gesellschaftliche Machtungleichgewichte auch in gegenkulturellen Räumen fortsetzen.[4]. Auch ein Safe Space ist daher niemals ein komplett geschützter Raum, da es nie möglich ist, vor allen Arten von Diskriminierung und Gewalt Schutz zu bieten. Auch in einem Safe Space findet Interaktion immer in einem gesellschaftlichen Kontext statt, sodass Zuschreibungen und Charakteristika von außerhalb des Raumes sich in diesem nicht völlig auflösen können.

Die Autorinnen des Roestone Collective haben verschiedene Beschreibungen von Safe Spaces untersucht, um eine Rekonzeptualisierung vorzunehmen. Die entstandene Definition wird heute in der weiteren Forschung häufig zitiert. Sie sieht Safe Spaces nicht als feststehende Gebilde, sondern Räume, die reaktiv und proaktiv auf eine unsichere Welt reagieren und mit ihr interagieren. Ein Safe Space wird als lebendes Konzept („living concept“) gesehen, das sich je nach Umgebung und Teilnehmer_innen verändert und, wenn möglich, an die entstehenden Bedarfe anpasst.[5]

Woher kommt der Begriff?

Das Konzept der Safe Spaces kam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf und ist seitdem verschiedentlich weiterentwickelt und kritisiert worden. Die Entfaltung des Konzepts lässt sich in der Frauen- und LGBT-Bewegung der 1970er Jahre verorten. Als erste Safe Spaces werden oft (autonome) Frauenräume genannt, in denen durch Gemeinsamkeit oder Gleichheit Sicherheit gewährleistet werden sollte. Daher wird die Debatte rund um Safe Spaces auch heute noch häufig in einem feministischen Kontext geführt, etwa um eine auf das Geschlecht bezogene „Einladungspolitik“. [6] Doch auch andere marginalisierte oder diskriminierte Gruppen haben sich das Konzept zu eigen gemacht. LQBTQIA+, also diejenigen Personen, die sich außerhalb des cis-heteronormativen Spektrums definieren, und auch anti-rassistische Strömungen gehören mit zu den ersten Gründer_innen von Safe Spaces.[7] Seitdem identitätspolitische Fragen immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind, scheint auch das Hinterfragen des Konzeptes der Safe Spaces viel stärker aufzukommen.[8]

Ein zweites maßgebliches Interesse der Forschung gilt der Verbindung zum Bildungskontext. Hier verschiebt sich die Debatte schnell zu Themen um Zensur und freie Meinungsäußerung. Auch in einem institutionellen Kontext, insbesondere an der Universität und in der Schule, sind Safe Spaces oft entstanden, um ungeschützte oder unsichere Räume zurückzuerobern.[9] In der universitären Umgebung verknüpft sich die Diskussion um Safe Spaces oft mit einer Diskussion über Triggerwarnungen, die oft aus „safe-space-policies“ entstanden sind.[10] Dabei werden Bücher, Vorlesungen oder auch Vortragende besonders gekennzeichnet, deren Inhalte möglicherweise verstörend, aufwühlend oder beleidigend sein können. Dies soll vor allem Studierende mit einer posttraumatischen Belastungsstörung oder Missbrauchsüberlebende schützen, hat aber eine ausufernde Debatte darüber zur Folge, ob vulnerable Gruppen wirklich geschützt oder die akademische Freiheit und Meinungsfreiheit beschränkt werden.[11] Diese Diskussion ist nicht auf akademische Kreise beschränkt, sie wird auch in der Politik gespiegelt. Generell lässt sich sagen, dass sowohl das Aufkommen als auch die Entwicklung von Safe Spaces stets in einem politischen Rahmen stattfand und weiterhin stattfindet.[12]

Mit zunehmender Digitalisierung wurden Forderungen nach und die Notwendigkeit von Safe Spaces in der Online-Welt intensiver, während sich damit auch die Debatten um die Einschränkung von Meinungsfreiheit und die Eindämmung bestimmter Diskussionen verstärkten.[13]

Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?

  • Die Kinderwebseite kindersache.de (https://www.kindersache.de/) ist eine Mitmach-Seite für Kinder zwischen 8 und 13 Jahren. Sie enthält viele Informationen über Kinderrechte, über Möglichkeiten, selbst im Internet aktiv zu werden, sowie über Datenpreisgabe im Internet. Durch die von der Redaktion geprüften Inhalte bietet sie Kindern einen geschützten Raum, um sich im Internet auszuprobieren. Das Projekt „Meine Daten - Mein Schatz“ widmet sich spezifisch dem Schutz privater Daten im Internet: https://www.kindersache.de/bereiche/kinderrechte/thema-des-monats/meine-daten-mein-schatz

Weiterführende Literatur

Quellenverzeichnis

  1. Vgl. Kämpf, Katrin M. 2014. „Safe Spaces, Self-Care and Empowerment - Netzfeminismus im Sicherheitsdispositiv.“ Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 23(2): 71–83, hier 74. Abrufbar unter: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/document/44969/1/ssoar-fempol-2014-2-kampf-Safe_Spaces_Self-Care_and_Empowerment.pdf. Zugriff am 05.09.2022.
  2. Vgl. Clark-Parsons, Rosemary. 2018. „Building a digital Girl Army: The cultivation of feminist safe spaces online.“ New Media & Society 20(6): 2125–2144, hier 2133. DOI: https://doi.org/10.1177/1461444817731919. Zugriff am 05.09.2022.
  3. Vgl. Gibson, Anna. 2019. „Free Speech and Safe Spaces: How Moderation Policies Shape Online Discussion Spaces.“ Social Media + Society 5(1): 1-15, hier 2. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1177/2056305119832588. Zugriff am 05.09.2022.
  4. Vgl. Kokits, Maya Joleen und Marion Thuswald. 2015. „gleich sicher? sicher gleich? Konzeptionen (queer) feministischer Schutzräume.“ Femina Politca - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 24(1): 83–93, hier 88. Abrufbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-436472. Zugriff am 05.09.2022.
  5. The Roestone Collective. 2014. „Safe Space: Towards a Reconceptualization.“ Antipode 46(5): 1346–1365, hier 1347ff. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1111/anti.12089. Zugriff am 05.09.2022.
  6. Vgl. Kokits, Maya Joleen und Marion Thuswald. 2015. „gleich sicher? sicher gleich? Konzeptionen (queer) feministischer Schutzräume.“ Femina Politca - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 24(1): 83–93. Abrufbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-436472. Zugriff am 05.09.2022.
  7. Vgl. Clark-Parsons, Rosemary. 2018. „Building a digital Girl Army: The cultivation of feminist safe spaces online.“ New Media & Society 20(6): 2125–2144, hier 2128. DOI: https://doi.org/10.1177/1461444817731919. Zugriff am 05.09.2022.
  8. Abrahams, Jessica. 2016. „Debatte um Safe Spaces: Bitte nicht den Kopf schütteln.“ taz (14.12.2016). Abrufbar unter: https://taz.de/Debatte-um-Safe-Spaces/!5363497/. Zugriff am 05.09.2022.
  9. Vgl. Hill, David W. 2020. „Communication as a moral vocation: Safe space and freedom of speech.“ The Sociological Review 68(1): 3–16, hier 4. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1177/0038026119854857. Zugriff am 05.09.2022.
  10. Vgl. Flensner, Karin K. und Marie von der Lippe. 2019. „Being safe from what and safe for whom? A critical discussion of the conceptual metaphor of ‚safe space‘.“ Intercultural Education 30(3): 275–288, hier 276. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1080/14675986.2019.1540102. Zugriff am 05.09.2022.
  11. Vgl. Flensner, Karin K. und Marie von der Lippe. 2019. „Being safe from what and safe for whom? A critical discussion of the conceptual metaphor of ‚safe space‘.“ Intercultural Education 30(3): 275–288, hier 286. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1080/14675986.2019.1540102. Zugriff am 05.09.2022.
  12. Vgl. Hill, David W. 2020. „Communication as a moral vocation: Safe space and freedom of speech.“ The Sociological Review 68(1): 3–16. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1177/0038026119854857. Zugriff am 05.09.2022.
  13. Vgl. Kämpf, Katrin M. 2014. „Safe Spaces, Self-Care and Empowerment - Netzfeminismus im Sicherheitsdispositiv.“ Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 23(2): 71–83, hier 73. Abrufbar unter: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/document/44969/1/ssoar-fempol-2014-2-kampf-Safe_Spaces_Self-Care_and_Empowerment.pdf. Zugriff am 05.09.2022.

Die erste Version dieses Beitrags wurde von Kim Banerjea für das Projekt „Digitale Souveränität“ am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht und am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln verfasst.


Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2023. „Safe Space (Medienwissenschaft).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.