Transparenz (Rechtswissenschaft)

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Transparenz bezeichnet einen Zustand der Nachvollziehbarkeit oder Erkennbarkeit von Inhalten, Prozessen, Ergebnissen und der Identifizierbarkeit von inhaltlich Verantwortlichen mithilfe von Informationen, welche eine in der Regel durch Rechtsnormen verpflichtete natürliche oder juristische Person zur Nutzung bereitgestellt hat.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
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Was bezeichnet der Begriff?

Transparenz als Durchschaubarkeit, Nachvollziehbarkeit oder Erläuterung von Inhalten oder Zusammenhängen bezeichnet das Ziel, Inhalte, Ergebnisse, Urheberschaft oder Verantwortlichkeit für Inhalte sichtbar zu machen. Transparenz hat dabei den Zweck, über Herkunft und Motivation eines Inhalts diejenigen Personen, welche die Information rezipieren, klar und eindeutig zu informieren. Transparenz kann freiwillig oder aufgrund von Richtlinien in Unternehmen, Organisationen oder Branchen bereitgestellt werden. Häufig wird sie jedoch durch Rechtsregeln erzwungen.

Woher kommt der Begriff?

Der Begriff der Transparenz entstammt dem allgemeinen Sprachschatz. Dort steht er für Durchsichtiges oder Durchscheinendes (Lat.: trans – parere). Im rechtlichen Zusammenhang geht es um die Herstellung der Erkennbarkeit von Zusammenhängen. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird davon ausgegangen, dass es sich um ein der Verfassung des Grundgesetzes unterliegendes Prinzip der Offenheit insbesondere staatlicher Tätigkeit gegenüber den Bürger_innen geht.[1] Im Medienrecht ging es ursprünglich vor allem um die Transparenz der eine Information aussendenden Stelle, um ermessen zu können, ob wirtschaftliche, werbliche, staatliche, lobbyistische, ideelle oder private Stellen kommunizieren. Hier hat das Verbot von Schleichwerbung oder redaktionell getarnter Werbung seinen Ursprung. Schleichwerbung wird in dem Moment zulässig, in dem aufgedeckt wird, dass es sich um Werbung handelt (z.B. durch Kennzeichnung als „Anzeige“). Diese Pflicht gilt auch für Mediendienste im Internet (§ 22 Medienstaatsvertrag) sowie seit November 2022 auch für Internetplattformen nach Art. 26 des sog. Digital Services Act (DSA).

Transparenzgebote sind auf Basis dieser allgemeinen Annahme zunehmend Bestandteil von gesetzlichen Informationsgeboten geworden. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sieht die Pflicht vor, kommerzielle Äußerungen als solche zu kennzeichnen, was für Influencer_innen von Bedeutung ist (§ 5a Abs. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG). Gesetze über den elektronischen Handel sehen entsprechende Pflichten für gewerbliche E-Commerce-Anbieter (z.B. Amazon-Marketshops oder ebay-Verkäufe) vor (§ 6 Telemediengesetz, Art. 26 DSA). §§ 83, 93 Medienstaatsvertrag verpflichten die Betreiber von Online-Plattformen (z.B. Google-Mediendienste wie YouTube) dazu, Zugangsbedingungen und Entgelte (§ 83) sowie die von ihnen angewendeten Kriterien für die Anzeige von Inhalten sowie die Gewichtung des Suchalgorithmus in verständlicher Sprache erkennbar zu machen (§ 93 Medienstaatsvertrag). Die Kriterien sind diskriminierungsfrei anzuwenden (§ 94 Medienstaatsvertrag). Dasselbe gilt für Anbieter von Medienplattformen und Benutzeroberflächen, die nicht nur nutzergenerierte Inhalte präsentieren, sondern ein eigenes Angebot zusammenstellen. Das betrifft Netflix, Amazon Prime Video oder ähnlichen Dienste (§ 85 Medienstaatsvertrag).

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtete in Deutschland die Anbieter sozialer Netzwerke, ein wirksames und transparentes Beschwerdesystem für die Meldung rechtswidriger Inhalte (z.B. beleidigende, volksverhetzend desinformierende Inhalte) einzurichten (§ 3 NetzDG) und halbjährlich über seine Anwendung zu berichten, so dass erkennbar wird, warum und nach welchen Kriterien Inhalte gelöscht oder gesperrt werden (§ 2 NetzDG). Diese Lösung wird durch den seit 2022 geltenden Digital Services Act (DSA) auf die Ebene des Rechts der Europäischen Union gehoben (Art. 14-16 DSA).

Art. 5 Abs. 1 Nr. 1, Buchst. a) der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gebietet, dass personenbezogene Daten „in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden“. Art. 12 Abs. 1 DSGVO gebietet eine in klarer und einfacher Sprache abgefasste Information über die über eine Person erhobenen und gespeicherten Daten. Diese Vorschrift ist die Grundlage für die zahlreichen Erklärungen, die Personen seit einiger Zeit bei Gewerbetreibenden, aber auch in Arztpraxen, bei Telekommunikationsanbietern und ähnlichen Dienstleistern zu sichten und zu unterschreiben haben. Weiter noch als die Selbstbestimmung über den Umgang mit den persönlichen Daten führt die Idee des Dateneigentums innerhalb der Rechtswissenschaft. Sie besagt eine dem Sacheigentum gleichgestellte Ausschließlichkeit von immateriellen Daten, über die lediglich die natürliche oder juristische Person in Besitz der Daten verfügen kann. Art. 15 DSGVO gewährt der betroffenen Person Auskunftsansprüche über Datenerhebungen, Art. 16, 17 DSGVO das Recht auf Löschung oder Beseitigung rechtswidrig erhobener oder gespeicherter Daten.[2]

Wonach muss ich fragen?

  • Wo und auf welche Weise erhalte ich Auskunft über die für eine Information, einen Inhalt oder ein Ergebnis verantwortliche Stelle?
  • Erkenne ich, ob Informationen automatisiert oder durch Menschen bereitgestellt werden? Wann ist mir das Wissen darüber wichtig?
  • Erkenne ich, ob und in welcher Weise Informationen über meine Person erhoben, genutzt oder verarbeitet werden und zu welchen Zwecken das geschieht?
  • Wo erhalte ich Auskunft darüber, wie die Betreiber sozialer Netzwerke mit rechtswidrigen, unrichtigen oder stark herabsetzenden Inhalten umgehen?
  • Erkenne ich in verständlicher Weise, was ich gegen rechtswidrige Inhalte, unrichtige Informationen oder stark herabsetzende sowie diskriminierende Inhalte vorgehen kann?
  • Weiß ich, welche Daten ich erzeuge und wer sie zu welchen Zwecken verwendet? Wo erhalte ich Informationen darüber?

Wann ist das wichtig?

Transparenzregeln verfolgen den Zweck, Auskünfte über rechtliche oder tatsächliche Umstände einer natürlichen oder juristischen Person (Name, Kommunikations- und Adressdaten, rechtliche Verhältnisse, Eigentümerstruktur, Rolle im kommunikativen oder werblichen Prozess) zu geben. Sie sollen den Adressat_innen oder Rezipient_innen einer Information oder eines sonstigen Inhalts die Möglichkeit geben, Nachfragen zu stellen oder Rechte durchzusetzen und überdies eine rechtliche Verantwortlichkeit offenlegen (z.B. die publizistische Verantwortlichkeit für einen Text), auch um Haftungsansprüche (z.B. gegenüber Lieferant_innen von Waren oder Dienstleistungen) durchsetzbar zu machen (z.B. Garantie- und Gewährleistungsansprüche, aber Schadensersatzansprüche im Falle von Schädigungen durch Produkte) oder Behörden die Durchsetzung von Rechtsregeln (auch von Transparenzpflichten) zu ermöglichen.

Juristische Transparenzvorschriften setzen fest, wer wem gegenüber welche Informationen wann und auf welche Weise erteilen oder bereitstellen muss. Man unterscheidet formelle Transparenzvorgaben (äußere Gestaltung von Transparenz) von materiellen Vorgaben (Inhalt der bereitzustellenden Informationen).[3] Ihrem Zweck nach kann eine Transparenzvorgabe ergebnis-, verfahrens- oder inhaltsbezogen sein.[4] Im Digitalzeitalter ist Transparenz ein zentrales Ziel rechtlicher Regulierung, um den Nutzer_innen digitaler Dienste zu erläutern, wer die Verantwortung für die Dienste hat (Haftungs- und Adressatenbezug), mit welchem Zweck ein Dienst bereitgestellt wird (insbesondere zur Abgrenzung kommerziell motivierter Informationen, vorwiegend Werbung, von ideellen, privaten oder behördlichen/staatlichen Zwecksetzungen). Im Kontext der Erhebung personenbezogener Daten soll Transparenz darüber aufklären, ob und welche Daten zu welchen Zwecken erhoben und/oder verarbeitet werden. Beim Einsatz von technischen Werkzeugen (Algorithmen, Bots) geht es ebenfalls um das Bedürfnis daran, transparent gemacht zu bekommen, ob solche Werkzeuge eingesetzt werden und, wenn ja, mit welcher Wirkung und welchen Folgen.

Transparenz verfolgt den Zweck, informierte und reflektierte Entscheidungen treffen zu können. In medialen Zusammenhängen soll sie erläutern, wer zu welchem Zweck kommuniziert. Sie soll eine aufgeklärte und chancengleiche Teilhabe am öffentlichen Diskurs herbeiführen und sicherstellen. Bei staatlichen Informationen soll sie die Art der Gewinnung, Aufbereitung und Verbreitung von Informationen offenbaren.[5] Transparenz gilt auch im demokratischen Prozess als die Basis von Vertrauen. Das Bundesverfassungsgericht hat darin (im Kontext parlamentarischer Entscheidungen über die Höhe von Zahlungen an Abgeordnete) die Grundlage für eine funktionierende staatliche Willensbildung gesehen: „Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“[6]

Im Zusammenhang mit digitaler Selbstbestimmung ist Transparenz über Datenerhebungen eine zentrale Grundlage für die informierte Zustimmung zu diesen Vorgängen. Im datenschutzrechtlichen Kontext hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich des sog. Volkszählungsurteils aus dem Jahr 1984 festgestellt: „Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß, nicht vereinbar. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“[7]

Wie wird der Begriff erfasst/festgestellt?

Die Transparenzvorschriften der diversen Gesetze werden durch Behörden, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbände, aber auch durch unabhängige Agenturen, wie z.B. die Datenschutzbeauftragten der Bundesländer und des Bundes sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften durchgesetzt. Manche Gesetze, insbesondere die DSGVO, geben betroffenen Personen selbst Ansprüche auf Auskunft und Richtigstellung. Die Nichterfüllung solcher Ansprüche verschafft den Personen gerichtliche Klagemöglichkeiten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei Datenschutzverstößen auch die Datenschutzbeauftragten als Aufsichtsbehörden einzuschalten (Art. 77 DSGVO). Der Verstoß gegen medienrechtliche Transparenzvorschriften wird durch die Landesmedienanstalten und von ihnen eingesetzte Kommissionen geahndet. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wird durch das Bundesamt für Justiz exekutiert.

Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?

  • Die Landesmedienanstalten der Bundesländer unterhalten ein Forschungsportal, auf dem Informationen zu den Transparenzregeln und die Möglichkeit eines Selbsttests zur Erkennung verdeckter politischer oder kommerzieller Werbung angeboten wird: https://www.die-medienanstalten.de/forschung/transparenzcheck
  • Das u.a. vom Bundesministerium für Justiz geförderte Projekt „HateAid“ bietet den Betroffenen von Hasskriminalität rechtliche Unterstützung hat. Ferner informiert es über den Schutz der Meinungsfreiheit und deren Grenzen in Internetdiensten. Es beobachtet die Lösch- und Sperrpraxis der Betreiber sozialer Netzwerke und hilft Nutzer_innen bei der Rechtsdurchsetzung: https://hateaid.org/das-ist-Hateaid#waswirtun

Weiterführende Literatur

  • Alexander, Christian. 2023. „Transparenz in der Plattformwirtschaft. Die Regelungsansätze der P2B-VO und des UWG.“ Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 125(1-2): 14-22.
  • Bröhmer, Jürgen. 2004. Transparenz als Verfassungsprinzip. Grundgesetz und Europäische Union. Tübingen: Mohr Siebeck.
  • Daum, Oliver. 2020. „Pflichtangaben auf Webseiten.“ Multimedia und Recht (MMR) 23(10): 643-646.
  • Dregelies, Max. 2022. „Digital Services Act.“ Multimedia und Recht (MMR) 25(12): 1033-1038.
  • Kühling, Jürgen. 2021. „‚Fake News‘ und ‚Hate Speech‘ – Die Verantwortung der Medienintermediäre zwischen neuen NetzDG, MStV und Digital Services Act.“ Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 65(6): 461-471.
  • Liesching, Mar. 2023. „Fünf Jahre Netzwerkdurchsetzungsgesetz.“ Multimedia und Recht (MMR) 26(1): 56-60.
  • Peifer, Karl-Nikolaus. 2021. „Die neuen Transparenzregeln im UWG (Bewertungen, Rankings und Influencer).“ Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 123(12): 1453-1460.

Quellenverzeichnis

  1. Vgl. Bröhmer, Jürgen. 2004. Transparenz als Verfassungsprinzip. Grundgesetz und Europäische Union. Tübingen: Mohr Siebeck, 33.
  2. Siehe Manthey, Benjamin. 2020. Das datenschutzrechtliche Transparenzgebot. Die Grenzen des individuellen Datenschutzes anhand verdeckter Datenverarbeitungen im Internet. Baden-Baden: Nomos.
  3. Vgl. Müller-Terpitz, Ralf. 2021. „Algorithmen-Transparenz von Medienintermediären.“ UFITA Archiv für Medienrecht und Medienwissenschaft 85(1): 70-107, hier 70, 79.
  4. Vgl. Bröhmer, Jürgen. 2004. Transparenz als Verfassungsprinzip. Grundgesetz und Europäische Union. Tübingen: Mohr Siebeck, 18.
  5. Vgl.Lucke, Jörn von und Katja Gollasch. 2022. Open Government. Offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln – Leitbilder, Ziele und Methoden. Wiesbaden: Springer Gabler, 29. Abrufbar unter: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-36795-4. Zugriff am 22.02.2024.
  6. Bundesverfassungsgericht. 1975. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band 40, 296 = „Versteuerung von Aufwandsentschädigungen für Abgeordnete.“ Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW) 1975 28(51): 2331-2339, hier 2331, 2335.
  7. Bundesverfassungsgericht. 1983. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band 65, 1 = „Verfassungsrechtliche Überprüfung des Volkszählungsgesetzes 1983.“ Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW) 1984 37(8): 419-427, hier 419, 422.


Die erste Version dieses Beitrags beruht auf der studentischen Arbeit von Maximilian Uhlenbruck, die im SoSe 2023 im Rahmen eines Seminars am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln für das Projekt „Digitale Souveränität“ verfasst wurde.

Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2024. „Transparenz (Rechtswissenschaft).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.