Zensur (Rechtswissenschaft)

Icon rechtswissenschaft.png
Bezeichnet im rechtswissenschaftlichen Gebrauch einschränkende Maßnahmen wie das förmliche Verfahren einer Prüfung und Genehmigung von Inhalten durch den Staat vor der Veröffentlichung eines Werkes, das erst im Anschluss an diese staatlichen Maßnahmen veröffentlicht werden darf.
Dieser Artikel verweist auf folgende weitere Beiträge:
Algorithmus (Medienwissenschaft), Netzwerk (Medienwissenschaft), Öffentlichkeit (Medienwissenschaft)


Was bezeichnet dieser Begriff?

Zensur lässt sich nach seinem weitesten Bedeutungsgehalt als Kommunikationskontrolle verstehen.[1] Kommunikationskontrolle beschreibt "alle Maßnahmen zur Behinderung oder Förderung bestimmter Kommunikation"[2], umfasst also in seiner Reichweite auch Maßnahmen wie beispielsweise die Auswahl der Schullektüre durch eine Schule. Alltagssprachlich wird Zensur als Oberbegriff für den Ausschnitt an Kommunikationskontrolle verwendet, der nach Ansicht seiner Verwender_innen zu ächten ist.[3] Dieses Verständnis reicht sehr weit. Es geht dabei um "inhaltsbezogene Kontrolle von Druckschriften, Bildern, Filmen, Vorträgen oder sonstigen Geisteswerken"[4]. Unerheblich ist, ob die Kontrolle durch den Staat oder durch andere Akteur_innen durchgeführt wird, ob sie vor der Veröffentlichung (Vorzensur) oder nach der Veröffentlichung (Nachzensur) erfolgt.[5]

Das juristische Verständnis entspricht diesem alltäglichen Sprachgebrauch nicht.[6] Es unterscheidet sich auch von dem Verständnis der Medienwissenschaften. Nach dem juristischen Verständnis bezeichnet Zensur staatliche einschränkende Maßnahmen vor Veröffentlichung des Werkes – insbesondere behördliche Prüfung und Genehmigung des Inhalts –, vor deren Abschluss ein Werk nicht veröffentlicht werden kann.[7] Der Begriff ist damit im Vergleich zum Alltagsbegriff doppelt eingeengt. Einerseits kommen nur staatliche Eingriffe in Betracht[8], andererseits nur die Vorzensur.[9] Jeweils muss ein förmliches Verfahren vor die Veröffentlichung geschaltet werden, bei dem der Inhalt eines Werkes überprüft wird (formelle Zensur).[10] Maßnahmen, welche die Veröffentlichung nur faktisch behindern (materielle Zensur[11]), reichen zur juristischen Definition von Zensur nicht aus.[12]

Demgegenüber gibt es auch Stimmen, die sich für eine Lockerung des formellen Zensurbegriffes aussprechen, vor allem dann, wenn die staatlichen Maßnahmen in ihrer Intensität formellen Zensurmaßnahmen gleichkommen.[13] Vom Bundesverfassungsgericht wurde diese Auslegung bisher noch nicht anerkannt.

Wie eng der juristische Zensurbegriff ist, wird in einem Vergleich mit der umgangssprachlichen Verwendung deutlich: Nicht unter die juristische Definition fällt beispielsweise die Kennzeichnung und Indizierung von Filmen mit besonders blutrünstigem oder sexualisiertem Inhalt zum Zwecke des Jugendschutzes, auch wenn das dazu führen kann, dass Filme in Kinos nicht gezeigt oder in bestimmten Geschäften nicht verkauft werden dürfen (§ 11 Abs. 1 Jugendschutzgesetz, § 15 Abs. 1 Jugendschutzgesetz).[14] Der rechtliche Zensurbegriff erfasst diese Maßnahmen aus zwei Gründen nicht: Es wird erstens nur ein bestimmtes Publikum (Jugendliche) ausgeschlossen und nicht generell die Veröffentlichung verboten.[15] Zweitens erfolgt die Prüfung nicht vor der Veröffentlichung.[16]

Ebenfalls nicht unter die juristische Definition fallen Maßnahmen wie beispielsweise die Löschung von Hass-Kommentaren oder Beiträgen, die im Zusammenhang mit Internet-Foren oder sozialen Netzwerken schnell unter dem Schlagwort 'Zensur' angeprangert werden. Hierbei handelt es sich zumeist um eigens von den Konzernen aufgestellte und nicht vom Staat regulierte Richtlinien zur Löschung bestimmter Beiträge.[17] Aber auch die gesetzliche Verpflichtung von Netzwerken zur Löschung zum Beispiel durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und durch das Strafgesetzbuch erfüllt die Voraussetzungen des Zensurbegriffes nicht. Zentral ist, dass Beiträge, wenn sie gegen Strafgesetze wie Volksverhetzung gemäß § 130 StGB verstoßen, erst nach ihrer Veröffentlichung wieder gelöscht werden müssen. Es erfolgt gerade keine Beschränkung vor der Veröffentlichung. Die nachträgliche, strafrechtliche Verantwortlichkeit für Inhalte kann zwar von Einzelnen als Einschränkung empfunden werden. Auch sind solche Inhalte nicht völlig schutzlos, sondern durch die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt. Als Zensur im juristischen Sinn kann dies jedoch nicht definiert werden.[18]

Schließlich muss die sogenannte 'Selbstzensur' abgegrenzt werden. Der umgangssprachliche Begriff beschreibt die Unterlassung einer Äußerung, weil mit ihr negative Konsequenzen erwartet werden. Dies kann viele Gründe haben: Eine Äußerung kann deshalb unterbleiben, weil erwartet wird, dass sie ein Strafgesetz erfüllt (zum Beispiel Beleidigung, § 185 StGB; Volksverhetzung, § 130 StGB). Jemand kann eine Äußerung auch aus Furcht vor sozialer Ächtung unterlassen, weil die eigene Ansicht nicht der allgemein konsentierten Meinung entspricht oder gegen Anstands- oder Moralnormen läuft. Doch auch die 'Selbstzensur' ist keine Zensur im juristischen Sinne.[19] Die betroffene Person fühlt sich zwar vor der Veröffentlichung eingeschränkt, es fehlt allerdings ein Handeln des Staates sowie ein formelles Verfahren.


Woher kommt der Begriff?

Der Begriff der Zensur findet sich im aktuellen deutschen Recht ausschließlich in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Dass er namentlich auftaucht, ist durchaus eine Besonderheit, wenn man internationale Menschenrechtsbestimmungen in den Blick nimmt. Weder im Völkerrecht – hierzu gehört z.B. die allgemeine Erklärung der Menschenrechte[20] –, noch im europäischen Recht, insbesondere der Europäischen Grundrechtecharta[21] findet sich der Begriff. Eine internationale Ausnahme bildet Art. 13 Abs. 2 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK)[22], wonach "prior censorship" (Vorzensur) grundsätzlich nicht, ausnahmsweise aber zu Zwecken des Jugendschutzes zulässig ist (Art. 13 Abs. 4 AMRK). Im Vergleich dazu schließt Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG die Vorzensur absolut aus. Der Jugendschutz wird im deutschen Recht nicht vom Begriff der Zensur erfasst, sondern als Ausschluss eines bestimmten Publikums angesehen (vgl. Was bezeichnet dieser Begriff?).

Die besondere Bestimmung in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG und ihr Verständnis hat sich aus einer langen Verfassungsgeschichte heraus entwickelt. Das deutsche Zensurverbot hat seinen Ursprung im Kampf um die Pressefreiheit im 19. Jahrhundert[23] und in einem übergeordneten Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Bildung eines Nationalstaates. Eine Zensurregelung enthielt § 1 S. 1 des Bundes-Preßgesetzes, das Teil der Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 war.[24] Danach durften Schriften, die einen Umfang von 20 Bogen (320 Seiten) hatten, "in keinem deutschen Bundesstaate ohne Vorwissen und vorgängige Genehmhaltung der Landesbehörden zum Druck befördert werden"[25]. Es handelte sich damit um eine Bestimmung, die eine Vorzensur ausdrücklich anordnete.

Als Reaktion auf das Hambacher Fest vom 27. bis 30. Mai 1832, bei dem die Festteilnehmer_innen Einheit, Freiheit und Volkssouveränität anstrebten, kam es zu weiteren Beschlüssen (vor allem Art. 1 der Zehn Artikel vom 5. Juli 1832[26]), die eine staatliche Vorzensur ermöglichten. Diese Zensurgesetze galten bis 1848. Erst die deutsche Revolution 1848/1849 erwirkte zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten vor der monarchischen Herrschaft, dass die Paulskirchenverfassung als erstes deutsches Verfassungsdokument in § 143 Abs. 2 vorbeugende Maßnahmen gegen die Pressefreiheit, "namentlich Censur", untersagte.[27] Rechtliche Geltung erhielt die Paulskirchenverfassung und ihr Zensurverbot nie. Der von der Nationalversammlung zum Kaiser gewählte König Preußens Friedrich Wilhelm IV. lehnte die Krone ab, woraufhin die meisten Abgeordneten der Nationalversammlung ihr Mandat niederlegten.[28] Gänzlich bedeutungslos blieb sie jedoch nicht.[29] Als Reaktion auf die deutsche Revolution und die Paulskirchenverfassung zwang der preußische König Friedrich Wilhelm IV. 1848 dem preußischen Staat eine Verfassung auf, die sich an die Paulskirchenverfassung anlehnte.[30] Teil dieser Verfassung war in Art. 24, S. 1 ein Zensurverbot, das für den Staat Preußen rechtliche Geltung erlangte.[31]

In die Reichsverfassung von 1871[32], die keinen Grundrechtsabschnitt enthielt, fand das Zensurverbot hingegen keinen Eingang. Erst wieder die Weimarer Reichsverfassung von 1919 enthielt in Art. 118 Abs. 2 WRV folgende Bestimmung: "Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig."[33] Unter den zeitgenössischen Jurist_innen war für diese Vorschrift die Auffassung vorherrschend, dass sich das Merkmal Zensur lediglich auf die Vorzensur erstreckt.[34] Schon dieses Verständnis wurde aus der Entstehungsgeschichte heraus entwickelt[35] und hat im späteren Verlauf auch die Verfassungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mitgeprägt.

Im Nationalsozialismus kam es zu umfangreichen Zensurmaßnahmen[36] trotz formeller Fortgeltung der Weimarer Reichsverfassung.[37] Die heutige Bestimmung in Art. 5 GG gehört zu den Vorschriften des Grundgesetzes, die als Gegenentwurf zum NS-Regime konzipiert wurden.[38] Bei den Beratungen zum Grundgesetz wurde Art. 5 Abs. 1 S. 3 in Anlehnung an Art. 118 Abs. 2 WRV formuliert.[39] Da wie oben beschrieben bereits unter Art. 118 Abs. 2 WRV die herrschende Ansicht unter den Jurist_innen von einer Beschränkung des Zensurverbots auf die Vorzensur ausging, sah das Bundesverfassungsgericht in der Übernahme auch eine Beschränkung des grundgesetzlichen Zensurbegriffes auf die Vorzensur.[40] Diese Auffassung hat sich heute durchgesetzt, obwohl es bei den Beratungen durchaus Bestrebungen gab, die gesamte Bandbreite der Zensur zu erfassen.[41]


Wonach muss ich fragen?

  • Muss ich ein Werk oder Beitrag einer Behörde zur Genehmigung vorlegen, bevor ich das Werk oder den Beitrag überhaupt veröffentlichen darf?
  • Gibt es ein förmliches Verfahren, das ich durchlaufen muss, bevor ich einen Beitrag veröffentlichen darf?
  • Wird die Veröffentlichung ganz untersagt oder wird lediglich ein bestimmtes Publikum oder eine bestimmte Verbreitungsart ausgeschlossen?
  • Wer liest und kontrolliert meine Äußerungen? Staatliche Stellen oder andere Beteiligte?
  • Wird ein Beitrag von mir schon vor der Veröffentlichung oder erst nach der Veröffentlichung gesperrt? Liegt die nachträgliche Löschung daran, dass ich gegen Netzwerkregeln oder das Strafrecht verstoßen habe?
  • In welchen Kontexten wird der Begriff 'Zensur' verwendet und wann ist damit tatsächlich das juristische Verständnis gemeint?
  • Inwiefern wirken sich informationstechnische Maßnahmen (zum Beispiel Algorithmen) eines sozialen Netzwerks auf die Reichweite meiner Beiträge in der Öffentlichkeit aus?
  • Können meine Beiträge die Öffentlichkeit nicht erreichen, weil bestimmte Websites oder Foren aufgrund von Sperrung nicht mehr abgerufen werden können?


Wann ist das wichtig?

Aus der geschichtlichen Herleitung des Begriffs (Woher kommt der Begriff?) wird deutlich, dass die herrschende Obrigkeit gerade das Mittel der Vorzensur nutzte, um gegen verfassungsprogressive beziehungsweise revolutionäre Strömungen vorzugehen. Die Einführung einer Vorzensur bedeutet, dass sich für Machthaber_innen die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit als eine Gefahr für (ihre) Interessen darstellt und sie durch die Zensur Kontrolle über den öffentlichen Diskurs erlangen wollen. Die Vorzensur macht dabei einen offenen Diskurs mit einer viel höheren Effektivität unmöglich, als bei einer Nachzensur, bei der es immerhin für einen bestimmten Zeitraum lang die Möglichkeit der Kenntnisnahme gibt. Dies gilt umso mehr im digitalen Zeitalter, in dem ein Beitrag in Form eines Tweets, Posts oder Videos innerhalb weniger Minuten von Hunderttausenden wahrgenommen werden kann. Bei einer Vorabkontrolle ist dies bei Nichtzulassung unmöglich.

Das Verbot der (Vor-)Zensur ist somit zuallererst als Schutzschild gegen Übergriffe des Staates auf den öffentlichen Diskurs wichtig. Ein freier und vor allem kritischer öffentlicher Diskurs kann sich nur dann entwickeln, wenn der Staat nicht im Voraus kontrolliert, welche Beiträge zugelassen werden. Doch die Wichtigkeit reicht noch weiter. Der Schutzzweck des (Vor-)Zensurverbots ist darüber hinaus auch, "meinungslenkende Einschüchterungseffekte im Sinne von Lähmungsrisiken und die staatliche Errichtung von Kommunikationsbarrieren im Keime [zu] ersticken"[42].

Im digitalen Informationszeitalter erlangt der Zensurbegriff jedoch auch neue Perspektiven, die es möglicherweise notwendig machen, den eng ausgelegten Begriff neu zu definieren.[43] Eine Herausforderung ist, dass die Grenzen zwischen (verbotener) Vorzensur und (nicht erfasster) Nachzensur durch die Technik des digitalen Informationsaustausches verwischt werden. Wird beispielsweise durch den Staat eine Website mit einem Forum gesperrt, da in diesem Forum rechtswidrige Inhalte dargestellt werden, so bewirkt das nicht nur, dass bereits vorhandene Inhalte nicht mehr abrufbar sind, sondern auch, dass zukünftige (möglicherweise harmlose) Inhalte nicht mehr veröffentlicht werden können.[44]

Ein anderes Problem stellt sich durch die automatisierte Überwachung von Beiträgen in sozialen Netzwerken.[45] Um der Flut an Beiträgen nachkommen zu können und Gesetze auch im Internet durchzusetzen, verschiebt sich die öffentliche Debatte immer weiter zugunsten von automatisierten Filtern. Solche Filter sind nach dem aktuellen Verständnis kein Fall für das Zensurverbot. Sie werden durch private Unternehmen eingesetzt, sodass es an einem staatlichen Verfahren fehlt, oder greifen erst Sekunden nach der Veröffentlichung und stellen damit keine Vorzensur mehr dar. Sind diese Filter allerdings nicht absolut treffsicher, verhindern sie entweder im Voraus oder sekundenschnell die Verbreitung legaler Beiträge zur öffentlichen Debatte.

Obwohl beide Problemkreise nicht unter den Zensurbegriff fallen, ist die Gefahrenlage ähnlich. Durch faktische Maßnahmen können unter Umständen bestimmte Ansichten und Äußerungen die Öffentlichkeit gar nicht mehr erreichen. Die Maßnahmen können sich mit anderen Worten wie eine faktische Zensur auswirken. Diskutiert wird daher, den Zensurbegriff für das digitale Zeitalter neu zu interpretieren und vor allem automatisierte, anlasslose Kontrollmaßnahmen zu erfassen, die künftige Kommunikation verhindern oder schon den Empfang bei der Zielgruppe blockieren.[46] Der Zensurbegriff könnte in Zukunft insofern nochmal mehr an Wichtigkeit gewinnen.


Wie wird der Begriff erfasst/festgelegt?

Das Zensurverbot in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG ist ein Verbot, das sich zentral an den Gesetzgeber im sogenannten formellen Sinne, das heißt an Bundestag oder Landtag im formellen Gesetzgebungsverfahren richtet, wenn dieser Grundrechte einschränkt (sogenannte 'Schranken-Schranke'[47]). Der Bundestag und die Landtage dürfen mit anderen Worten kein Gesetz erlassen, das eine Zensur anordnet. Tut ein Gesetz das dennoch, ist es verfassungswidrig.

In Deutschland kann allein das Bundesverfassungsgericht verbindlich feststellen, dass ein Gesetz gegen die Verfassung verstößt und damit ungültig ist. Jedes Gericht und Rechtsanwender_innen können zwar für sich prüfen, ob das Verbot aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG betroffen ist. Die finale Entscheidung, ob eine Zensur im verfassungsrechtlichen Sinne vorliegt, obliegt aber stets den Richter_innen in Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht muss im Einzelfall das angegriffene Gesetz darauf untersuchen, ob es die oben erläuterten Merkmale des Zensurbegriffes erfüllt, das heißt ob eine (1.) formelle (2.) Vorprüfung des Inhalts (3.) durch eine staatliche Stelle angeordnet wird. Dazu wird der Wortlaut, die Systematik des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte beurteilt, als auch seine faktische Umsetzung durch die Behörden mit einbezogen.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass ein Gesetz Zensur anordnet, erklärt es das Gesetz für verfassungswidrig und damit für ungültig. Diese Entscheidung hat gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG[48] für alle staatlichen Stellen bindende Wirkung. Sie dürfen danach das Gesetz und die Zensurmaßnahme nicht mehr anwenden. Stellt das Bundesverfassungsgericht dagegen fest, dass der Zensurbegriff des Grundgesetzes nicht einschlägig ist, so ist das Gesetz gültig und kann auch nicht unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 S.3 GG für vernachlässigbar erklärt werden.

Darüber hinaus ist auch die Judikative (Gerichte) und die Exekutive (Ministerien, Behörden) gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG an das Zensurverbot gebunden. Ihre Handlungen dürfen das Verbot nicht relativieren.[49] Tun sie das dennoch, können Gerichte, sofern die Handlung den oben beschriebenen Zensurmerkmalen entspricht, feststellen, dass ein Verstoß gegen das Zensurverbot vorliegt und daraufhin die angegriffene Handlung für unwirksam erklären.[50]

Die überprüfenden Gerichte sind dabei zum einen gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG[51] an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Zensurbegriff gebunden und können davon nicht abweichen. Zum anderen würde auch in einem solchen Fall, bei Uneinigkeit zwischen den Gerichten über die Reichweite des Zensurbegriffes, das Bundesverfassungsgericht letztgültig über den Begriff urteilen. Aufgrund dessen liegt die Rechtsmacht, auch die oben genannten Grenzfragen zum Zensurbegriff zu entscheiden, allein bei dem Bundesverfassungsgericht.


Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?

Es existieren zahlreiche Projekte zum Thema Zensur. Folgend sind ein paar interessante Bildungsprojekte und Organisationen gelistet:

  • "Cut it Out – Filme gegen Zensur" ist ein Projekt des Goethe-Instituts, in welchem Regisseur_innen aus zwanzig verschiedenen Ländern Kurzfilme produzieren, in denen eindrücklich die negativen Seiten von Zensur gezeigt werden. Das Projekt soll auf die Gefahren der Zensur aufmerksam machen und ein Zeichen der Solidarität mit allen Menschen setzen, deren Meinungsfreiheit weltweit durch Zensur eingeschränkt wird: https://www.goethe.de/de/kul/flm/prk/cup.html.
  • "Zensur - oder: Was darf ich schreiben?" ist ein Bildungsprojekt des Instituts für Deutschlandforschung der Ruhr-Universität Bochum, das sich an Schüler_innen der Oberstufe richtet. Es hat das Ziel, Schüler_innen am Beispiel der DDR über moderne Diktaturen und Kontrollsysteme aufzuklären und so eine bessere Differenzierung von Demokratie und Diktatur zu ermöglichen: http://www.aks.ruhr-uni-bochum.de/projekte/zensur-oder-was-darf-ich-schreiben.html.de.


Weiterführende Literatur

  • Fiedler, Christoph. 1999. Die formale Seite der Äußerungsfreiheit. Berlin: Duncker & Humblot.
  • Koreng, Ansgar. 2010. Zensur im Internet. Baden-Baden: Nomos.
  • Nessel, Thomas. 2004. Das grundgesetzliche Zensurverbot. Berlin: Duncker & Humblot.
  • Pfeifer, Michael. 2003. Zensurbehütete Demokratie – Das Zensurverbot des Artikels 5 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz. Baden-Baden: Nomos.
  • Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: C. H. Beck, S. 1477–1484; 1602–1610.
  • Hufen, Friedhelm. 2020. Staatrecht II. München: C.H. Beck.


Quellenverzeichnis

  1. Fiedler, Christoph. 1999. Die formale Seite der Äußerungsfreiheit. Berlin: Duncker & Humblot, S. 29 f.
  2. Fiedler, Christoph. 1999. Die formale Seite der Äußerungsfreiheit. Berlin: Duncker & Humblot, S. 29.
  3. Fiedler, Christoph. 1999. Die formale Seite der Äußerungsfreiheit. Berlin: Duncker & Humblot, S. 30.
  4. Fiedler, Christoph. 1999. Die formale Seite der Äußerungsfreiheit. Berlin: Duncker & Humblot, S. 30.
  5. Koreng, Ansgar. 2010. Zensur im Internet. Baden-Baden: Nomos, S. 212; Pichler, Rufus. 1999. "Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und neue Medien." Archiv für Presserecht (AfP), S. 429.
  6. Hufen, Friedhelm. 2020. Staatrecht II. München: C.H. Beck ,§ 27 Rn. 12.
  7. BVerfGE 87, 209 (230) – Tanz der Teufel; BVerfGE 33, 52 (72) – Filmeinfuhrverbot.
  8. Jarass in: Jarass/Pieroth. Grundgesetz. 16. Auflage 2020, Art. 5 Rn. 77a.
  9. BVerfGE 33, 52 (71) – Filmeinfuhrverbot; Wendt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band I, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 62; Kloepfer, Michael. 2010. Verfassungsrecht Band II Grundrechte. München: Verlag C.H. Beck, § 61 Rn. 150.
  10. BVerfGE 87, 209 (230) – Tanz der Teufel; BVerfGE 83, 130 (155) – Josefine Mutzenbacher; BVerfGE 33, 52 (72) – Filmeinfuhrverbot; Degenhart, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 123 Lfrg. August 2006, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 918, 920; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Auflage 2013, Art. 5 I, II Rn. 172.
  11. Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Auflage 2013, Art. 5 I, II Rn. 172.
  12. Löffler, Martin. 1969. "Das Zensurverbot der Verfassung." Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 22 (50): 2225-2226; für weitere Nachweise siehe Wendt in: von Münch/Kunig Grundgesetz Kommentar, 6. Auflage Art. 5 GG Rn. 65.
  13. So unter anderem die Ansicht von Grabenwarter in: Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar 90. EL Art. 5 Abs. 1, Abs.2, Rn. 117; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Auflage 2013, Art. 5 I, II Rn. 172; Bethge in: Sachs, Grundgesetz 8. Auflage 2018, Art. 5 GG Rn. 135b; zumindest mehr Sensibilität fordert Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H.Beck, S. 1607.
  14. Vergleiche § 11, Abs. 1 und § 15, Abs. 1 Jugendschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/juschg/BJNR273000002.html.
  15. BVerfGE 87, 209, (230) – Tanz der Teufel; Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H.Beck., S. 1607.
  16. Stark/Paulus in: v. Mangoldt/Klein/Starck Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 5 GG Rn. 299.
  17. Vergleiche beispielsweise die sogenannten Twitter-Regeln: https://help.twitter.com/de/rules-and-policies/twitter-rules.
  18. Stark/Paulus in: v. Mangoldt/Klein/Starck Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 5 GG Rn. 261; im Ergebnis auch Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H. Beck, S. 1606.
  19. Vgl. Wendt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band I, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 64.
  20. Vereinte Nationen. 1948. Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf.
  21. Europäisches Parlament. 2010. Charta der Grundrecht der Europäischen Union. Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.europarl.europa.eu/germany/resource/static/files/europa_grundrechtecharta/_30.03.2010.pdf.
  22. General Sekretariat, OAS. 1969. "American Convention on Human Rights 'Pact of San Jose.'" oas.org. Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.oas.org/dil/access_to_information_American_Convention_on_Human_Rights.pdf.
  23. Degenhart, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 123 Lfrg. August 2006, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 918; Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H.Beck, S. 1604.
  24. Huber, Ernst Rudolf. 2012. "Karlsbader Beschlüsse." verfassungen.de (23.22.). Aufgerufen am 14.08.2020, http://www.verfassungen.de/de06-66/karlsbad19.htm.
  25. Huber, Ernst Rudolf. 2012. "'Karlsbader Beschlüsse.'" verfassungen.de (23.22.). Aufgerufen am 14.08.2020, http://www.verfassungen.de/de06-66/karlsbad19.htm.
  26. Huber, Ernst Rudolf. 1978. Band 1, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. 3., neubearbeitete und vermehrte Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer. Aufgerufen am 14.08.2020, http://ghdi.ghi-dc.org/pdf/deu/1_C_NS_Sechs_Artikel_Zehn_Artikel.pdf.
  27. Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H.Beck, S. 1604; Isensee, Josef und Paul Kirchhof. 2003. Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I Historische Grundlagen. Heidelberg: C.F. Müller Juristischer Verlag, § 2 Rn. 31.
  28. Kloepfer, Michael. 2011. Verfassungsrecht Band I, Grundlagen, Staatsorganisationsrecht, Bezüge zum Völker- und Europarecht, München: Verlag C.H. Beck, § 2 Rn. 30 f.
  29. Vgl. ausführlich zu den Folgewirkungen Isensee, Josef und Paul Kirchhof. 2003. Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I Historische Grundlagen. Heidelberg: C.F. Müller Juristischer Verlag, § 3 Rn. 47 ff.
  30. Kloepfer, Michael. 2011. Verfassungsrecht Band I, Grundlagen, Staatsorganisationsrecht, Bezüge zum Völker- und Europarecht. München: Verlag C.H. Beck, § 2 Rn. 33 ff.
  31. Vgl. Art. 24 Preußische Verfassung 1848: o.A. o.D. "(Oktroyierte) Preußische Verfassung (1848). Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat 5. Dezember 1848." Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.jura.uni-wuerzburg.de/lehrstuehle/dreier/verfassungsdokumente-von-der-magna-carta-bis-ins-20-jahrhundert/oktroyierte-preussische-verfassung-1848/; sowie Art. 27 der revidierten preußischen Verfassung von 1850: o.A. o.D. "(Revidierte) Preußische Verfassung (1850) Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat 31. Januar 1850." Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.jura.uni-wuerzburg.de/lehrstuehle/dreier/verfassungsdokumente-von-der-magna-carta-bis-ins-20-jahrhundert/revidierte-preussische-verfassung-1850/.
  32. o.A. o.D. "Bismarck-Verfassung (1871)." Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.jura.uni-wuerzburg.de/lehrstuehle/dreier/verfassungsdokumente-von-der-magna-carta-bis-ins-20-jahrhundert/bismarck-verfassung-1871/.
  33. o.A. o.D. "Die Verfassung des Deutschen Reichs ('Weimarer Reichsverfassung') vom 11. August 1919 (Reichsgesetzblatt 1919, S. 1383)." Aufgerufen am 03.09.2020, https://www.jura.uni-wuerzburg.de/fileadmin/02160100/Elektronische_Texte/Verfassungstexte/Die_Weimarer_Reichsverfassung_2017ge.pdf.
  34. Anschütz, Gerhard. 1960. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, Nachdruck der 14. Auflage, S. 557; Nipperdey, Hans Carl. Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Kommentar zum zweiten Teil der Reichsverfassung, Zweiter Band Art. 118-142, Berlin 1930, S. 33.
  35. Nipperdey, Hans Carl. Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Kommentar zum zweiten Teil der Reichsverfassung, Zweiter Band Art. 118-142, Berlin: 1930, S. 33.
  36. Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H.Beck, S. 1604 f.
  37. Giegerich, in: Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar 90. EL 2020, Art. 123 GG Rn. 52.
  38. Hufen, Friedhelm. 2020. Staatrecht II. München: C.H. Beck, § 25 Rn. 2.
  39. Köhne, Michael. 2013. "Das Zensurverbot des Grundgesetzes." Recht und Politik (RuP), 49(2013, 1): 30-34, S. 33.
  40. BVerfGE 33, 52 (73) – Filmeinfuhrverbot.
  41. Vgl. dazu Köhne, Michael. 2013., "Das Zensurverbot des Grundgesetzes." Recht und Politik (RuP), 49 (1): 30-34, S. 33.
  42. Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz Kommentar Band I, Art. 5 I, II Rn. 170; weiterhin auch Fiedler, Christoph. 1999. "Die formale Seite der Äußerungsfreiheit." Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 773, S. 95 ff.; 100 ff; 140.
  43. Hierzu Grabenwarter in: Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 90. EL. 2020, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 119.
  44. Grabenwarter in: Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 90. EL. 2020, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 119.
  45. Grabenwarter in: Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 90. EL. 2020, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 119.
  46. Grabenwarter in: Maunz/Dürig Grundgesetz Kommentar, 90. EL. 2020, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 119; Schulz, in: Paschke/Berlit/Meyer Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2015, 5. Abschnitt Rn. 79.
  47. Stark/Paulus in: v. Mangoldt/Klein/Starck Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 5 GG Rn. 262; Jarass, in: Jarass/Pieroth GG Kommentar, 16. Auflage 2020, Art. 5 Rn. 77.
  48. Vergleiche § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz: http://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__31.html.
  49. Stern, Klaus. 2006. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band IV/1. München: Verlag C.H.Beck, S. 1479.
  50. Als Beispiel vergleiche die Entscheidung BVerfGE 87, 209, (230) – Tanz der Teufel.
  51. Vegleiche § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz: http://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__31.html.

Die erste Version dieses Beitrags wurde von Christian Mausolf, Karl-Nikolaus Peifer und Florian Priemel im Rahmen des Projekts "Digitale Souveränität" am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht und am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln erstellt.

Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2021. „Zensur (Rechtswissenschaft).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.